DAX: Und jetzt die Gegenbewegung!?
von Torsten Ewert
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
der DAX hat zum Juli-Verfallstag die bearishe Variante gewählt, die ich in der Vorwoche skizziert hatte: Für diesen Fall hatte ich 18.200 Punkte als mögliches Kursziel genannt; abgerechnet wurde der DAX am Freitag bei 18212,40 Punkten.
Die mittelfristigen Perspektiven
Formal ist das wieder einmal ein Volltreffer, auch wenn ich zugebe, dass diese Variante nicht meine bevorzugte war. Allerdings war es recht einfach, dieser Richtung des DAX im Trading zu folgen – schließlich lief er ohne nennenswerte Gegenbewegung nach unten.
Womit sich die Frage stellt, wie es weitergeht. Darauf gibt es wie immer mehrere Antworten – je nachdem, welchen Zeitrahmen man zugrunde legt. Dazu der Blick auf den aktuellen DAX-Chart:
Übergeordnet sieht derzeit alles nach einer Seitwärtsbewegung aus, die zurzeit noch wahlweise in einem Dreieck (grau) oder einem klassischen Rechteck verlaufen kann. Allerdings ist vorerst allenfalls die Oberkante des Rechtecks halbwegs erkennbar. Die Unterkante, die ich hier zunächst bei rund 17.600 Punkten (die Tiefs von März und April) gelegt habe, wurde zuletzt nicht mehr erreicht. Möglich ist, dass sich diese Unterkante z.B. in den Bereich von 18.000 Punkten verschiebt.
Dann wäre auch eine Konsolidierung zwischen 18.000 und 19.000 Punkten denkbar (also inklusive neuem Hoch) oder auch eine leicht aufwärts gerichtete Bewegung. Übrigens: Der vermeintlich starke Rückfall des DAX zum gestrigen Handelsbeginn ist wohl ein Datenfehler – keine der 40 DAX-Aktien zeigt auch nur annähernd einen ähnlichen Einbruch, und auch im DAX-Future, der schon seit der Nacht gehandelt wurde, gibt es diesen nicht.
Kommt eine Gegenreaktion nach dieser Negativserie?
Kurzfristig könnte der DAX dagegen wieder zulegen, also eine Gegenbewegung nach den Verlusten der Vorwoche starten. Denn auffällig sind die aufeinanderfolgenden roten Kerzen der vergangenen Woche: An allen 5 Handelstagen der Vorwoche schloss der DAX tiefer als am Vortag und tiefer als zu Handelsbeginn (siehe rotes Rechteck).
Eine solche Serie ist außergewöhnlich: Derartige Kerzen kamen – auch einzeln – bisher nur an 24 % aller Handelstage (mit O/H/L/C-Kursen) im DAX vor. Und nur in 39 Fällen bzw. 1,9 % davon gab es eine solche Negativserie mit 5 oder mehr solcher Kerzen in Folge:
Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD, eigene Berechnungen
Was aus Tradingsicht die Frage aufwirft, ob wir es in einem solchen Fall mit einer kurzfristigen Übertreibung zu tun haben, die sich antizyklisch nutzen lässt. Und tatsächlich – gestern zeigt der DAX bereits eine kräftige Gegenreaktion.
Diese kann zum einen ein Nachverfallstagseffekt sein – schließlich sind die eventuellen Absicherungen der Stillhalter, die den Kurs unter Umständen gedrückt haben, schlagartig weggefallen. Zum anderen kann es eben die „übliche“ Reaktion auf eine solche kurzfristige Übertreibung sein.
Die „übliche“ Reaktion
Aber gibt es überhaupt eine „übliche“ Reaktion auf eine solche Negativserie? Und ist diese Reaktion positiv? Dazu habe ich die bisherigen 39 Fälle nach einem einfachen „System“ ausgewertet: Kriterium für das Ende eines fiktiven Long-Trades nach einer Negativserie von mindesten 5 Tagen war ein Zeitraum zwischen 3 und 20 Tagen. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse:
Quelle: eigene Berechnungen mit Daten von VWD
Eine solche oder ähnliche Statistik dürften die Trader unter Ihnen kennen – sie zeigt die typischen Kennzahlen eines Handelssystems: Die Gesamtzahl der Trades (aufgeteilt in Gewinn- und Verlust-Trades sowie den Prozentanteil der Gewinntrades), die durchschnittliche sowie maximale und minimale Performance (ebenfalls untergliedert für Gewinne/Verluste) sowie das Verhältnis von Gewinnen und Verlusten und den Profit-Faktor.
Letzterer ist die entscheidende Kennzahl, denn er gibt an, wie viel größer die Summe aller Gewinne gegenüber der Summe aller Verluste ist. Er sollte also mindestens größer als 1 sein, aber in der Praxis wird alles unter 2 verworfen; viele Trader arbeiten sogar nur mit Systemen, deren Profit-Faktoren mehr als 3 betragen.
Wie man dieses „System“ sinnvoll nutzen kann
Demnach können wir dieses „System“ vergessen, denn es erreicht maximal 2,6. Einige aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnt man dennoch: So ist das Ergebnis zwar in allen Fällen positiv, aber das offenbar nur, weil einige wenige große (prozentual zweistellige) Gewinne die vielen (kleinen) Verluste aufwiegen. Das gilt insbesondere sehr kurzfristig (für 3 und 5 Tage), da es für diese Zeiträume mehr Verlust- als Gewinntrades gibt. Erst ab 10 Tagen kehrt sich dieses Verhältnis um.
Daraus kann man schlussfolgern, dass es in den ersten Tagen nach einer solchen Negativserie tendenziell noch einen weiteren Rücksetzer gibt – getreu der alten Regel „Der erste Boden ist meist nicht der letzte“.
Auf Sicht von 2 bis 4 Wochen sind die Gewinnaussichten besser. Man könnte daher versuchen, einen weiteren Rücksetzer in den kommenden Tagen „abzufischen“, um so die Gewinnchancen zu verbessern. Dabei kann man ruhig andere Signalsysteme oder Indikatoren zu Hilfe nehmen, um einen konkreten Einstieg sowie ein sinnvolles Stoppniveau zu bestimmen.
Eine andere Variante ist in diesem Fall, auf Einzelaktien des DAX zu setzen, die in der Vorwoche stark verloren haben und/oder ein hohes Gewicht im DAX haben – irgendwer muss ja schließlich den DAX nach oben hieven…
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg dabei, mit dieser und anderen Tradingideen, eine mögliche Gegenreaktion im DAX zu nutzen!
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)