Zweiter Kaufrausch am chinesischen Aktienmarkt
von Sven Weisenhaus
Die auffälligste Kursbewegung zum Start in die neue Woche hat es aus meiner Sicht am chinesischen Aktienmarkt gegeben. Der Hang Seng schnellte gestern ab ca. 8:20 Uhr (MEZ) um rund 1.000 Punkte bzw. mehr als 5 % nach oben.
Auslöser für diesen Kaufrausch der Anleger war die Meldung, dass China erstmals seit 2010 seinen geldpolitischen Kurs ändert. Im kommenden Jahr soll eine „angemessen lockere“ Geldpolitik verfolgt werden, wie staatliche Medien unter Berufung auf eine Politbüro-Sitzung berichten. In den vergangenen 14 Jahren wurde von der Zentralbank des Landes hingegen eine als „umsichtig“ bezeichnete Geldpolitik verfolgt.
Bedenkliche Parallelen
Das letzte Mal, als von China ein „angemessen lockerer“ Kurs ausgerufen wurde, war dies eine Reaktion auf die globale Finanzkrise, die 2008 gravierende Folgen für die Realwirtschaft weltweit hatte. Und diese war aus einer Immobilienkrise in den USA erwachsen, die 2007 ausuferte.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich nun interessante sowie bedenkliche Parallelen. Denn auch aktuell herrscht eine Immobilienkrise – nur eben nun in China. Und diese führt seit geraumer Zeit zu einer hartnäckigen Konjunkturflaute in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nach den USA. Nicht wenige Analysten sehen die Gefahr einer Ausweitung auf andere Volkswirtschaften. Davon ist bislang zum Glück noch nichts zu sehen. Das war allerdings 2007 auch noch nicht der Fall.
Ziele und Absichten
Um die Krise einzudämmen, sollen Medienangaben zufolge eine „aktivere“ Fiskalpolitik umgesetzt und „unkonventionelle“ Anpassungen verstärkt werden. Der Konsum soll „energisch“ angekurbelt und die Binnennachfrage „in alle Richtungen“ ausgeweitet werden.
Diese Pläne sollen sich in dem offiziellen Bericht über eine Sitzung des Politbüros der Kommunistischen Partei vor der jährlichen Zentralen Wirtschaftskonferenz Ende dieser Woche finden, auf der traditionell die wichtigsten Ziele und politischen Absichten für das kommende Jahr festgelegt werden.
Im Kampf gegen die Deflation
Zuvor war übrigens gemeldet worden, dass die Verbraucherpreise in China im November um -0,6 % zum Vormonat gesunken sind. Dadurch lag die jährliche Inflation bei nur noch +0,2 %.
Sie ist damit den 3. Monat gesunken, auf das niedrigste Niveau seit 5 Monaten. Ökonomen hatten hingegen ein Plus von 0,5 % und somit einen Anstieg der Inflation erwartet. Stattdessen nehmen nun die Sorgen vor einer Deflation wieder zu. Zumal gleichzeitig der Druck durch die schon seit 26 Monaten herrschende Deflation bei den Erzeugerpreisen hoch blieb. Diese fielen im November um -2,5 % zum Vorjahr.
China hat also ernsthafte Probleme. Und nicht nur die aktuellen Preisdaten deuten daher darauf hin, dass weitere fiskal- und geldpolitische Anreize nötig sein dürften, um das fragile Wachstum der Volksrepublik zu stützen bzw. anzukurbeln.
Zweiter Kaufrausch am chinesischen Aktienmarkt
Von daher war es für die Anleger gestern vor allem eine gute Nachricht, dass speziell auch der Immobilien- und der Aktienmarkt stabilisiert werden soll. Einzelheiten dazu wurden zwar nicht genannt, die Informationen reichten aber offensichtlich für einen Kursimpuls am Aktienmarkt, wie ihn der Hang Seng auch am 24. September erhalten hatte. Damals schoss der Index in 9 Handelstagen um sagenhafte 26,54 % nach oben.
Durch Anschlussgewinne sind es gestern inzwischen immerhin schon mehr als 1.500 Punkte bzw. +7,78 %. Damit ähnelt die gestrige Kursreaktion schon sehr den langen bullishen Tageskerzen, die sich Ende September (24. und 26.) und Anfang Oktober (2.) gebildet hatten. Und daher ist mit weiter steigenden Kursen zu rechnen.
Sind Trumps mögliche US-Zölle verarbeitet?
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an meine letzte Hang Seng-Analyse vom 6. November (siehe „Trump-Sieg: Die Finanzmärkte reagieren erwartungsgemäß“). Damals hatte ich nach einem Rücksetzer um -15,76 % und einer anschließenden Seitwärtskonsolidierung (gelbes Rechteck) geschrieben, dass weiterhin Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Aktienmärkte in China bestehen.
„Doch vorerst müssen die Anleger die Gefahren geringerer chinesischer Exporte durch US-Zölle verarbeiten“, hieß es allerdings dazu. Und auch die Seitwärtskonsolidierung hatte ich als „trendbestätigend“ und somit durch die vorherige Abwärtsbewegung als „eher bearish“ gewertet. Anschließend kam es tatsächlich zu weiteren Kursverlusten, mit denen sogar in Summe mehr als 61,80 % der vorherigen Kursrally korrigiert wurden.
Bodenbildung und Trendumkehr
Doch im Bereich des Fibonacci-Retracements (graue Linien) wurde ein Boden gebildet, der mit dem gestrigen Anstieg den klaren Charakter einer Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS, blau) hat. Dabei handelt es sich um eine Trendumkehrformation. Zwar wurde das Kursziel daraus schon erreicht, doch besteht durch den möglichen Trendwechsel dennoch weiteres Aufwärtspotential. Ein Erreichen des Hochs vom 7. Oktober bei 23.250 Punkten sollte nicht verwundern.
Am 18. Oktober schrieb ich zum Hang Seng: „Und wer den (am 24. September ins Spiel gebrachten) Einstieg in den chinesischen Aktienmarkt verpasst hat, der könnte den aktuellen Rücksetzer nutzen, um dies nachzuholen.“ (Siehe „Für wieviel Schwung sorgen die Programme der PBoC?“.) Sicherlich, wer diesem Rat gefolgt ist, der musste durch die fortgesetzte Abwärtsbewegung zunächst ein Minus hinnehmen. Aber nun scheint sich die Investition wieder auszuzahlen. Und das Tief trifft man an der Börse sowieso nur selten.
Für einen nachhaltigen Kursanstieg müssen den Worten Taten folgen
Ich gebe aber weiterhin zu bedenken, dass die Investition auch eine Spekulation darauf ist, dass die chinesische Regierung ihren bislang nur markigen Worten bald auch (weitere) Taten folgen lässt. Daran mangelt es derzeit noch. Und wenn das so bleibt, wird auch der aktuelle Aufwärtsimpuls womöglich wieder als Strohfeuer enden. Vorerst bin ich aber optimistisch für weitere Kursgewinne am chinesischen Aktienmarkt.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)