Der Austrittstermin von Großbritannien ist zunächst bis zum 12. April verlängert worden ist, wenn das englische Parlament nicht in der nächsten Woche das Brexit-Abkommen genehmigt. Die Folgen eines harten Brexits können auch unberechenbare Konsequenzen für Privatanleger mit deutschen Aktienwerten haben.
Sollte das Parlament das Brexit-Abkommen verabschieden, dann könnte sich der Austrittstermin bis zum 22. Mai verlängern. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass es äußerst schwer wird für die Premierministerin May, die dafür benötigten Stimmen zu bekommen.
Klar ist bis jetzt nur, dass ein harter Brexit die englische Wirtschaft hart treffen wird. Aber auch die europäischen und insbesondere die deutschen Unternehmen müssen mit einschneidenden Konsequenzen rechnen. Wie sollen sich aber Aktienbesitzer verhalten, in deren Depots sich Papiere von Unternehmen befinden, die von dem Import oder Export von Waren aus Großbritannien abhängig sind.
Exporte und Importe aus Großbritannien
Großbritannien ist mit Exporten in Höhe von 85 Milliarden Euro im Jahre 2018 der viertgrößte Handelspartner Deutschlands. Deutsche Unternehmen haben letztes Jahr aber nur 36 Milliarden Euro aus dem Vereinigten Königreich importiert. Das entspricht weniger Importen als aus Polen, der Tschechischen Republik und Belgien. Ein harter Brexit würde dementsprechend den Absatz von Waren in England härter treffen, als Unternehmen die auf Rohstoffe aus Großbritannien angewiesen sind, oder den Absatz von englischen Waren in Deutschland.
Insgesamt wurden 2018 Waren im Wert von 82 Milliarden Euro aus Großbritannien nach Deutschland importiert. Das entspricht einem Rückgang von 2,8 Prozent zum Vorjahr.
Die Automobilindustrie trifft es am härtesten!
Am härtesten betroffen wäre die Kraftfahrzeugindustrie von einem harten Brexit. 2018 wurden über 22 Milliarden Euro von der Insel nach Deutschland importiert. Die Importe haben sich schon um 9,8 Prozent gegenüber 2017 verschlechtert und der harte Brexit würde die Industrie noch weiter schwächen. Allerdings befinden sich 95 Prozent der Pkw-Produktion nicht mehr in englischer Kontrolle, da die Traditionsmarken wie Jaguar, Land Rover und Mini von ausländischen Unternehmen übernommen wurden.
Ein wichtiger Faktor für die Automobil-Importe aus Großbritannien ist, das die Teile für die Kraftfahrzeugindustrie oft mehrmals die Grenzen überschreiten und dann durch die anfallenden Zölle nicht mehr effizient in England hergestellt werden können. Einige Hersteller haben schon Vorsichtsmaßnahmen getroffen und die Produktion von Fahrzeugteilen verlagert. Einige der 799.000 Arbeitsplätze in der englischen Automobilindustrie wurden schon jetzt abgebaut oder werden durch einen harten Brexit gefährdet.
Der Maschinenbau ist der zweitgrößte Exportschlager deutscher Firmen nach Großbritannien. 2018 wurden Maschinen und Ersatzteile im Wert von 9,45 Milliarden Euro nach England ausgeliefert. Im Gegensatz dazu konnten nur 3,05 Milliarden englische Maschinen und Ersatzteile in Deutschland abgesetzt werden. Interessant ist, dass der Import von englischen Maschinen 11,14 Prozent gestiegen ist und der Verkauf deutscher Maschinen nur um 3,48 Prozent. Ein harter Brexit würde also im Bereich Maschinenbau die englische Industrie um so heftiger treffen.
Allgemeine Folgen des Brexits für Aktienanleger
Die Folgen für Unternehmen mit Handelsverbindungen nach Großbritannien sind nicht berechenbar. Eins ist aber jetzt schon klar, je grösser das Handelsvolumen oder die Abhängigkeit mit Handelspartnern in England ist, desto grösser sind die Konsequenzen.
Deutsche Firmen haben sich auf den Brexit schon vorbereitet. Der Leverkusener Chemiekonzern Bayer hat zusätzliche Lager angemietet, um einen Vorrat an Medikamenten anzulegen. Der bayrische Automobilbauer BMW hat die Sommerferien der Mitarbeiter in dem Mini-Werk in Oxford vorgezogen. Durch einen ungeordneten Brexit wird aber eine komplexe Situation entstehen, wodurch die Vorkehrungen die Unternehmen nicht vor allen Eventualitäten schützen können.
Es entsteht ein unklare Zollsituation
Besonders die auftretenden Zölle werden den Unternehmen finanzielle Probleme machen. Auch die Zulassungen von Produkten wird zu mindestens in den ersten Monaten komplizierter, da bis jetzt noch keine klaren Vorlagen für viele Industriezweige existieren. Das Chaos könnte sich auf viele Bereiche ausweiten, da es bis jetzt noch keine klare Gesetzeslage für den Handel gibt. Experten rechnen mindestens mit einem Rückgang von einem halben Prozentpunkt beim Wachstum in Deutschland, in Großbritannien dürfte es sich um viel mehr handeln. Die Wirtschaftswachstumsprognosen im laufenden Jahr liegen für die Bundesrepublik Deutschland bei 1,1 Prozent, ein halber Prozentpunkt würde dann das Wachstum fast halbieren.
Eine Faustregel an den Börsen lautet, desto schwächer die Währung ist, desto höher steigen die Aktienkurse. Nach dem Tief im letzten Dezember hat sich der Britische Pfund wieder um 5 Prozent erholt. Der Leitindex FTSE 100 konnte seit dem Tiefstand am 27. Dezember 2018 bis heute um rund 500 Punkte zulegen. Der Effekt des Brexits auf die deutschen und englischen Aktien bleibt also höchst ungewiss, da wir ihn mit keinem anderen Szenarium vergleichen können. Die politischen Entscheidungen bis zum 22. Mai können die Situation stabilisieren, die Hoffnungen auf einen geregelten Ausstieg von Großbritannien werden aber immer geringer. Es gibt keine politische Berechenbarkeit, die für eine Grundlage des privatwirtschaftlichen Handels herangezogen werden kann.
Analysten empfehlen daher Ruhe zu bewahren und empfehlen besonders Kleinanlegern nicht auf kurzfristige Kursänderungen mit Panikverkäufen zu reagieren. Das Risiko der einzelnen Aktienwerte kann aufgrund der Abhängigkeit der Unternehmen von den Handelsgeschäften mit Großbritannien bewertet werden, sollte aber nur als ein Teil einer gewissenhaften Aktienanalyse gesehen werden.