oder:
Kann man ABN-Amro systematisch in den Bankrott handeln?
M. Feldt
Zusammenfassung
Im Zuge der Fragestellung ob die Kursversorgung bei Anbietern wie z.B. der ABN-Amro, die "über-den-Schalter" sogenannte Differenzzertifikate auf eigenen Handelsplattformen anbieten auch wirklich "genau" ist, habe ich mich zu dem Experiment durch gerungen den X-DAX von ABN und den DAX der Deutschen Börse knapp 75 Minuten lang parallel aufzuzeichnen. Erwartungsgemäß laufen die beiden Datenreihen nicht synchron, sondern es zeigen sich Abweichungen von bis zu 6 Punkten, sowohl nach oben als auch nach unten. Interessant ist, daß diese Abweichungen periodisch auftreten und auf eine vorhersagbare "Rückkehrtendenz" schließen lassen. Möglicherweise ließe sich hieraus ein Handelssystem generieren, welches ABN zu eigenen Gunsten verläßlich in den Bankrott handelt. Außerdem zeigt sich, daß bei der Betrachtung von 10-Sekunden-Zeitfenstern die Handelsspanne bei ABN etwa 1,6-mal so groß ist, wie die bei der Deutschen Börse beobachtete. Ein Hinweis auf Stopp-Fischen?
Einleitung
Immer wider werden auch hier im Aktienboard Meldungen eingestellt, es seien z.B. auf der Plattform von ABN Amro -aber auch auf denen anderer Anbieter - kurzfristig unrealistische Kurse vorgekommen, welche zum Auslösen der eigens gesetzten Verlustbegrenzung geführt hätten und vermutlich absichtlich zu diesem Zweck erzeugt worden seien. Nun ist ja der X-DAX von ABM - genau wie seine Schwesterprodukte - explizit nicht "der DAX", es ist also verständlich wenn es zu Abweichungen kommt.
Einige Fragen stellen sich dennoch: Im Prinzip überträgt ABN die Kursdaten verschlüsselt an den Endkunden. Es wäre technisch gesehen ein leichtes für ABN, an jeden Kunden speziell für ihn erzeugte Kursdaten zu übermitteln, und ihn ggf. so zu übervorteilen. Insbesondere wenn ein Kunde einige Zertifikate gekauft hat und seine Verlustbegrenzungsschwelle automatisiert und der Bank bekanntgegeben hat, kann schon ein einzelner, speziell erzeugter Tick den Verlust des Kunden zugunsten der Bank manifestieren. Da einzelne Ticks von der verwendeten OANDA-Java-Platform nicht oder nur ungenau angezeigt werden und die Übertragung verschlüsselt stattfindet, hätte der Kunde kaum eine Möglichkeit eine derartige Manipulation nachzuweisen. mit der weiter unten beschriebenen Methode besteht allerdings doch eine Möglichkeit der Überprüfung und es ist anzunehmen, daß für ABN ein sehr hohes Risiko bestünde, sollte tatsächlich jemals eine derartige Manipulation aufgedeckt werden.
In diesem Artikel geht es allerdings nicht um gezielte Betrugsversuche gegen einzelne Kunden, sondern um allgemeine, "reguläre" Abweichungen des X-DAX gegenüber dem DAX der deutschen Börse. Deshalb wurde auch ein Demo-Konto unter Beobachtung gestellt, auf dem während der Datenaufnahme keinerlei Geschäfte getätigt wurden.
Trotzdem können die Abweichungen zum Nachteil des Kunden geraten, etwa durch überhöhte kurzfristige Kursschwankungen die auf den DAX abgestimmte Systeme mit engen Stopps aushebeln. Andererseits deutet die Namensgebung daraufhin, daß der X-DAX sich stets in der Nähe das DAX aufhalten sollte und vermutlich um diesen pendelt. Dabei wiederum stellt sich die Frage, ob man dieses pendeln nicht ausnutzen könnte um bei großen, kurzfristigen Abweichungen eine signifikante Vorhersage für Bewegungen in Richtung auf den DAX zu machen. In der Tat scheint dies beim X-DAX möglich zu sein (siehe weiter unten)
Datenaufnahme
Die Daten wurden am 25. April 2008 aufgenommen. Die Aufzeichnung der daten der Deutschen Börse geschah mit Hilfe eines Python-scriptes über die URL [1].
Der link funktioniert leider nicht mehr immer, aber wenn er ab und zu noch geht, bekomme ich von dort noch immer Echtzeitticks aus Frankfurt.
Die Daten von ABN-Amro sind leider nicht ganz so leicht aufzuzeichnen, ABN stellt keinen Tickdatendienst zur Verfügung. Die Übertragung zur Java-Platform auf dem eigenen Rechner erfolgt verschlüsselt über https, so daß der Datenstrom nicht einfach auszulesen ist. daher wurden die Daten direkt aus dem Bildschirm ausgelesen und per Zeichenerkennungssoftware GOCR in nutzbare Zahlen zurückverwandelt. Durch die Einschränkung des zu erkennenden Zeichensatzes auf Ziffern konnte hier eine fehlerfreie Erkennung gewährleistet werden. Vom Bildschirm ausgelesen wurde hierbei eine Darstellung eines ABN Demokontos welches 10-Sekundenintervalle des X-DAX anzeigte. Durch ablegen der Maus auf einem einzelnen Balken wurde die "open-close-high-low" Anzeige in der Abbildung unten somit etwa alle 10 Sekunden aktualisiert und konnte per GOCR ausgelesen werden.
Das ABN-Amro Fenster in der Konfiguration, die zum auslesen der Daten benutzt wurde. GOCR wurde auf den per gelben Pfeil markierten Kasten angewendet
Die Einstellung "10 Sekunden" war deshalb nötig, weil es in der Datenübetragung immer wieder zu Verzögerungen kam (und kommt). Dadurch wurde bei kürzeren Einstellungen oftmals ein Balken von seinem Nachfolger "eingeholt" und dann nicht mehr lange genug dargestellt, um ein erfolgreiches Auslesen zu gewährleisten. Die Einschränkung auf 10- Sekunden- Abschnitte mit Eröffnung- Hoch- Tief- Schluß- Daten (EHTS) hat natürlich eine reihe von Konsequenzen beim Vergleich mit den sekündlich berechneten (und gelieferten) Tickdaten der Deutschen Börse. Daher wurden letztlich auch diese Tickdaten in eben jene Abschnitte als EHTS-daten einsortiert. Ein zu beachtender Unterschied ist, daß ABN offensichtlich immer den Schlußkurs des letzten Balkens gleich dem Eröffnungskurs des neuen Balkens setzt. Natürlich ist dies bei Tickdaten nicht unbedingt so - Eröffnungskurs ist hier der erste innerhalb des Zeitintervalls auftretende "Tick" - also gegenüber dem Vorgänger anderslautende Kurs -, Schlußkurs der letzte. nur wenn keine Ticks auftreten, werden Kurse des Vorgängerintevalls eingefügt. Bei Absolutvergleichen wurden daher immer Schlußkurse eines Intervalls herangezogen, die Eröffnungskurse sind nur informationshalber mit erwähnt.
Insgesamt gelang auf diese Art und Weise
die Parallelaufzeichnung von etwa 75 Minuten, von 09:00:27 bis 10:14:56.
Noch einige Anmerkungen zur Datenaufzeichnung: Den Datenstrom der Deutschen Börse muß man im Grunde nicht in Echtzeit aufzeichnen, man kann ihn zum Beispiel bei RSFI herunterladen.
Natürlich wäre es wünschenswert, auch von ABN Einzelticks zu erhalten. hierzu sehe ich zwei Möglichkeiten:
- Entweder man dekompiliert das Java-Applet der Platform und sucht im - vermutlich "obfuksierten" Quelltext die Stelle, wo die Daten ankommen. Es sollte trotz des wohl absichtlich vermatschten Quelltextes nicht so schwierig sein, hier eine Zeile einzufügen, welche die Daten auf Platte ausgibt
- Oder man versucht einen Angriff auf die verschlüsselte Verbindung. Zwar gilt das von https verwendete ssl als grundsätzlich gegen solche Angriffe gefeit, aber da man ja letztlich einen Großteil des Dateninhaltes schon kennt, könnte ein interessierter Hobby- oder Berufskryptologe vielleicht doch was machen...
Befunde
Absolute Abweichungen
An erster Stelle interessiert hier die absolute Abweichung zwischen den beiden Indexangaben.
Abweichung zwischen dem ABN X-DAX und dem DAX der Deutschen Börse betrachtet in synchronisierten 10-Sekunden-Intervallen. Dargestellt sind Eröffnungs- und Schlußkurse.
Abweichung zwischen dem ABN X-DAX und dem DAX der Deutschen Börse betrachtet in synchronisierten 10-Sekunden-Intervallen. Dargestellt sind Hoch- und Tiefstkurse
Zunächst konnte festgestellt werden, daß der ABN X-DAX während der gesamten Zeitspanne im Mittel um etwa 1.4 Punkte unter dem DAX lag. Ansonsten streuen die Werte sehr schön um den DAX herum, wobei man in den beiden Abbildungen schon eine Art Wellenbewgung erkennen kann, die darauf hindeutet, daß ABN immer, wenn die Abweichung zu groß wird, seine Kurse korrigiert. Rechnet man die mittlere Abweichung von -1.4 Punkten heraus, so erfolgt eine deraftige Korrekur anscheinend bei etwa 3-4 Punkten Abweichung in beiden Richtungen.
Handelsspanne
Weiterhin interessant ist die Handelsspanne, also das Intervall in dem sich die Kurse innerhalb der 10-Sekundenblöcke bewegen, berechnet durch Höchstkurs - Tiefstkurs.
Handelsspanne des DAX gegenüber der Handelsspanne des ABN Amro X-DAX. Ganz klar Streuen die ABN-Werte stärker
Offensichtlich vollführen die ABN-Werte innerhalb der beobachteten 10-Sekundeblöcke stärkere Schwankungen als die Werte der Deutschen Börse. Es sei angemerkt, daß es hier um Mittelkurse geht, die Kursspreizung in Kaufs- und Verkaufskurse kommt noch hinzu. Für Systemhändler, die ihre Stopps und Gewinnmitnahmeschwellen gerne automatische setzen und evtl. aus einer Statistik berechnen die auf dem DAX beruht läßt sich hieraus also ablesen, daß ein Sicherheitspuffer von bis zu 6 Punkten durchaus sinnvoll sein kann - falls das Handelssytem unter einer im Extremfall um 13 Punkte eingeschränkten Gewinnperspektive (Verluststopp 6 + 0.5 (Spreizung) Punkte höher, Gewinnmitnahme 6.5 niedriger) überhaupt noch Sinn ergibt....
Rückkehr bei großen Abweichungen
Noch eine anmerkung zu dem oben angemerkten Wellencharakter: Wiewohl siech eine Tendenz anzudeuten scheint, daß die Wellen sich zum Ende des Beobachtungszeitraumes hin glätten und möglicherweise durch die Eröffnung der Deutschen Börse um 9:00 erzeugt wurden, stellt sich die interessante Frage, ob sich diese Wellen vielleicht ausnutzen lassen. Hierzu habe ich untersucht, wie lange es dauert bis nach einer bestimmten Mindestabweichung in ein Richtung der ABN X-DAX wieder mit dem DAX zusammenfällt. Die mittlere Abweichung von 1.4 Punkten wurde vor dieser Rechnung herauskorrigiert. Das Ergebnis stellt sich folgendermaßen dar:
Zeit bis zur Rückkehr auf die mittlere Abweichung bei Überschreiten von gegebenen Abweichungschwellen
Im Mittel werden Abweichung also innerhalb von einer Minute korrigiert, wobei bei kleineren Abweichungen bis zu drei Minuten vergehen können, bis wieder eine Abweichung in die entgegengesetzte Richtung eintritt. Abweichungen von über 3 Punkten werden aber anscheinend immer innerhalb von einer Minute abgebaut.
Wie bewegt sich denn nun der X-DAX, wenn eine solche Abweichung korrigiert wird?
Mittlere Bewegung des X-DAX in Richtung auf den DAX zu nach Überschreiten von gegebenen Abweichungsschwellen
Bei dieser Berechnung wurde die Bewegung in Richtung 'auf den DAX zu' berücksichtigt, daß heißt nach positiven Abweichungen wurden Bewegungen nach unten positiv eingerechnet. Die überraschende (?) Erkenntnis: Bei Abweichungen von mehr als 3 Punkten scheint ABN hektisch in Richtung auf den DAX zu korrigieren, die mittlere Bewegung beträgt über 2 Punkte - deutlich mehr als die Kursspreizung! Und um das nochmal zu betonen: Auf der Ordinate dargestellt ist die Richtungsnormalisierte Absolutbewegung des X-DAX, die 2-3 Punkte ließen sich also, entsprechend korrekte Ein- und Ausstiege vorsausgesetzt, durchaus realisieren.
Schlußfolgerungen
Die Kurse des ABN X-DAX streuen um den DAX. Die mittlere Abweichung von 1.4 Punkten ist für den praktischen Handel unerheblich. Die X-DAX Kurse streuen allerdings innerhalb der 10-Sekundenintervalle erheblich stärker als die Kurse der Deutschen Börse. vermutlich sollen hierdurch automatische Verlustbegrenzungen und Gewinnmitnahmen entsprechend früher "abgeschöpft" werden. Zur umgehung dieser Tendenz könnte es sich empfehlen
- Die Stopps, wenn überhaupt mit entsprechenden Sicherheitspuffern zu setzen
- Den Ausstieg nach den Kursen der DB zu entscheiden, zumindest wenn ein System auf aus DB-Daten gewonnenen Statistiken beruht.
Bei Abweichungen von mehr als 3 Punkten (plus der mittleren Abweichung), korrigiert ABN offenbar heftig innerhalb von einer Minute auf den DAX hin. Im Prinzip ließe sich das natürlich wunderbar ausnutzen, um ein Handelssytem aufzubauen, welches ABN konsequent in den Bankrott handelt. Es liefe in etwa so
WENN (X-DAX - DAX) > 3 DANN
VERKAUFE zum Marktkurs
WENN DAX - X-DAX > 0 DANN
SCHLIEßE POSITION zum Marktkurs
WENN ENDE
WENN ENDE
WENN (DAX - X-DAX) > 3 Punkte DANN
KAUFE zum Marktkurs
WENN X-DAX - DAX > 0 DANN
SCHLIEßE POSITION zum Marktkurs
WENN ENDE
WENN ENDE
Praktisch dürfte due Durchführung jedoch nicht so einfach sein, den hierzu benötigt man zunächst einmal die Echtzeitdaten der Deutschen Börse. Die lassen sich zwar beschaffen, aber wenn man sie denn hat muß man nach jedem Tick so schnell wie möglich eine "Buy-when-touched" (oder "Sell-when-touched") Order aktualisieren/aufgeben. Da die ABN-Plattform nicht Skriptfähig ist, muß man diesen Teil per Hand erledigen und stirbt vermutlich nach etwa 10 Minuten an Sehnenscheidenentzündung! Selbst wenn man es schafft, ist nicht gesagt, daß die große Abweichung nicht schon vorüber ist und die Order mit dem nächsten Tick sehr ungünstig ausgeführt wird. Um ein solches System im einzelnen zu simulieren, wären die schon als wünschenswert bezeichneten Tickdaten der ABN nötig.
Bleibt noch zum wiederholten Male anzumerken, daß die Daten wie gesagt aus der Demo-Plattform von ABN stammen, es wurden auch im Beobachtungszeitraum kein Handelsgeschäft getätigt. Im Beobachtungszeitraum gab es auch keinen Kurs bewegenden Nachrichten, und die gefunden Wellenstruktur scheint gegen Ende hin etwas abzuklingen. Möglicherweise sieht die Anpassung des X-DAX an den DAX in "ruhigen Zeiten" (also mehr als 90 Minuten nach Eröffnung oder Kursrutsch, besser aus!